DER MANN HINTER VIRGIN MOUNTAIN

Regisseur Dagur Kári im Interview

Regisseur Dagur Kári darf trotz seiner jungen 41 Jahre bereits auf eine sehenswerte Karriere zurückblicken. Fernab von teuren Hollywood-Blockbustern und mit Computereffekten gefüllten Actionfilmen konzentrierte sich der isländische Filmemacher auf die facettenreiche Menschlichkeit und die Gedankenwelt einzigartiger Persönlichkeiten. Und feierte hiermit internationalen Erfolg.

Mit seinem neusten Werk VIRGIN MOUNTAIN setzt Dagur Kári seinen Erfolg nun fort. Dieser feierte seine Weltpremiere auf der Berlinale, gewann drei Preise auf dem Tribeca Film Festival und erhielt zudem den begehrten Filmpreis des Nordischen Rates. Ein Erfolg, für den Dagur Kári keine gigantischen Budgets oder weltweit bekannte Schauspieler brauchte. Nur viel Leidenschaft, Liebe für seine Figuren und Menschlichkeit.

VIRGIN MOUNTAIN handelt vom Erwachsenwerden eines eigentlich längst erwachsenen Mannes, der aufgrund seiner körperlichen Verfassung ein Außenseiter ist. Das Thema erinnert durchaus an Ihr Spielfilmdebüt NOÍ ALBÍNÓI und bis zu einem gewissen Grad auch an DARK HORSE. Was interessiert Sie so sehr an solchen Außenseiter-Figuren?

Es ist eigentlich keine bewusste Entscheidung von mir, immer wieder Außenseiter zu zeigen.
Mir geht es einfach darum Figuren zu erschaffen, die so interessant wie möglich sind. Und
Menschen, die ein bisschen neben der Spur oder fehl am Platz sind, ziehen einfach spannendere Situationen nach sich als solche, die sich überall anpassen können. Darauf liegt mein Fokus: auf der Figur und der Situation. Aber der Begriff Außenseiter schwirrte mir eigentlich nie durch den Kopf bevor die Journalisten anfingen, mich darauf hinzuweisen.

VIRGIN MOUNTAIN ist eher eine intensive und radikale Charakterstudie als eine romantische Komödie, auch wenn man nicht ganz falsch läge, den Film als Islands Antwort auf 40 (MÄNNLICH), JUNGFRAU, SUCHT... zu beschreiben. Auf jeden Fall haben Sie sich entschieden, sich nicht auf die Klischees von Beziehungskomödien einzulassen und so nah wie möglich an der Realität zu bleiben. Warum?

Sobald man so ein „Junge trifft Mädchen“-Element in seinen Film einbaut, schaltet die Geschichte eines Films leider ein bisschen auf Autopilot. Alles wird sehr vorhersehbar, deswegen wollte ich diesem Klischee ganz bewusst einen Twist verpassen. Ich fand außerdem, dass unser Protagonist Fúsi einen anderen Schluss brauchte. Das Ende sollte gleichzeitig ganz klein, aber eben doch auch ganz groß sein. Denn was für uns etwas vollkommen Normales ist, ist für Fúsi ein bahnbrechender Schritt.

Wie sind Sie auf Gunnar Jónsson gestoßen? Haben Sie das Drehbuch für ihn geschrieben?

Gunnar war vor etwa 15 Jahren der Sidekick in einer Satire-Sendung im isländischen Fernsehen. Das war das erste Mal, dass ich ihn wahrnahm, und in gewisser Weise war es Liebe auf den ersten Blick. Ich merkte sofort, dass er ein Naturtalent ist und hatte den großen Wunsch, ihn mal in einer dramatischen Hauptrolle zu sehen. Deswegen habe ich das Drehbuch explizit für ihn geschrieben. Er ist der Film – und ohne ihn hätte ich ihn nicht gedreht. Sein Talent ist enorm und seine Präsenz auf der Leinwand meiner Meinung nach einzigartig. Obwohl er kein klassisch ausgebildeter Schauspieler ist, ist er unglaublich professionell und präzise. Ich will ihn von nun an am liebsten in jedem meiner Filme besetzen.

Woher nehmen Sie als Regisseur und Autor Ihre Inspiration?

Inspiration kommt von überall und nirgends - und ohne Frage immer in Wellen. Es gibt Phasen, in denen ich mich vollkommen leer fühle. Aber ich habe gelernt, dass diese Phasen wirklich wichtig sind, denn in denen arbeitet dein Unterbewusstsein auf Hochtouren und in der Regel folgt danach immer eine höchst produktive Phase.

VirginMountain©AlamodeFilm2.jpg

Was macht VIRGIN MOUNTAIN zu einem universellen Film, der Menschen auf der ganzen Welt anspricht?

Es ist die inspirierende Geschichte eines Mannes, der den entscheidenden Schritt in sein
weiteres Lebens macht. Damit können die meisten Menschen etwas anfangen, hoffe ich.
Außerdem kennen wir alle dieses Schuldgefühl, einen anderen Menschen falsch beurteilt zu
haben. Das schlechte Gewissen, das die westliche Welt tief in ihrem Inneren mit sich herumträgt, hat seine Wurzeln in dieser Schuld. Während der Arbeit im Schneideraum spielte ich den Film einmal rückwärts ab und machte eine dazu passende Entdeckung: der Name unseres Protagonisten Fúsi klingt rückwärts gesprochen wie Jesus. Nicht in der Schreibweise natürlich, aber eben in der Aussprache. Ein sehr netter Zufall. 

VIRGIN MOUNTAIN läuft seit dieser Woche im Kino ->  siehe Kinonews!

Kommentare

Beliebte Posts